Von Ursula Müller, Erkner (Text & Fotos), Ute Krabel, Berlin, Karl-Heinz Petereit, Greiz und Jörg Förster, Halle (Fotos)

„Dunajec“ heißt das Zauberwort, dass uns alle Jahre wieder am  Wochenende nach  Pfingsten in unser Nachbarland Polen zieht, um im Rahmen der internationale Wildwasserwoche im polnisch-slowakischen Grenzgebiet an der Dunajec-Fahrt und – damit sich die lange Reise besser lohnt – vorher auch an der Poprad-Fahrt teilzunehmen – und das  regelmäßig  schon seit 1975. Einige Sportfreunde sind  von Anfang an dabei. Die wunderbare Berglandschaft der Nationalparks Beskiden und Pieniny-Gebirge, die freundliche Atmosphäre, das gesellige Beisammensein mit langjährigen Freunden und vor allem die reizvollen über jeweils 90 km fast unverbauten Flüsse mit schnellem Wasser, aber auch die spannenden Wettfahrten auf dem Dunajec, ziehen uns immer wieder dorthin.

Wir, das sind die Kanuten des SV Union Zwickau, an die sich noch einige  Sportfreunde aus Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg angeschlossen haben. Unter der Leitung des Präsidenten, Uwe Enke, und des langjährigen Fahrtenleiters, Heinz Brenner, begeben sich neun Kanuten am Freitag, dem 26. Mai 2011 in Zwickau auf die Reise, nehmen in Dresden noch zwei Sportfreunde auf und machen in Krakau zur Übernachtung Station. Hier schließen sich noch zwei Berlinerinnen der Gruppe an.

Am nächsten Vormittag bummeln wir individuell in Krakau vor allem in der Altstadt rund um die Tuchhallen, besichtigen den Wawel, die Residenz der polnischen Könige, kaufen Andenken – oder nicht – und besorgen uns polnisches  Geld. Schließlich landen wir alle in einem gemütlichen Biergarten gegenüber dem Pulverturm, stillen unseren Durst, freuen uns  an Seifenblasenkunst und genießen das pulsierende Leben mit viel Kultur in dieser bezaubernden Stadt.

XLVI. Internationale Kanufahrt auf dem Poprad

(XLVI Miedzynarodowy Splyw Kajakowy na Popradzie [Leluchow – Stary Sacz])
29.5.-01.06.2011

Am Nachmittag geht es  weiter nach Piwniczna Zdroj zum Biwak  für die Wanderfahrt auf dem Poprad. Nach freundlichem „Hallo“ mit Krzystof, dem polnischen Fahrtenleiter, wird zügig aufgebaut. Zwei weitere Sportfreunde aus Mühlhausen und nicht zu vergessen, unser liebenswerter langjähriger Dolmetscher Otokar Balci, machen unser Team komplett.

Nun gilt unser erster Blick dem Fluss: „Ganz schön wenig Wasser“! Der Wasserstand ändert sich über Nacht drastisch, denn langanhaltende wolkenbruchartige Regengüsse füllen den Fluss und leider auch einige Zelte ausreichend mit Wasser. Das ist nicht der  einzige heftige Regen dieser Fahrt, aber erfreulich ist, dass wir auch an jedem Tag viel Sonne und Wärme haben und alles immer wieder prächtig trocknet.

Am Sonntagmorgen bekommt jede Bootsbesatzung eine Startnummer, dann geht die Fahrt mit Autos und Booten im Konvoi zum Start nach Leluchow, einem Grenzort zur Slowakei – Boote abladen, Autos und Hänger zurück zum Zeltplatz, Autofahrer zurück zum Start. Dort wird die Fahrt mit einem erfreulich kurzen Zeremoniell offiziell eröffnet.

Endlich können wir aufs Wasser! Die Paddelfahrt nach Zegiestow ist ebenso, wie alle folgenden Etappen, reiner Genuss. Der Fluss führt uns durch eine wunderbare Berglandschaft vorbei an kleinen malerisch gelegenen Ortschaften.

In Zegiestow  werden die Boote abgelegt (bewacht!) und die Teilnehmer der Fahrt mit dem Veranstalter-Bus zurück zum Lager  transportiert. Viele wunderbare Eindrücke haben wir dann auch bei unserer leichten Bergwanderung am Nachmittag mit echten Walderdbeeren, schönen Bergblumen  und herrlicher Aussicht  von oben.

Am Montag endet die zweite  Etappe direkt am Zeltplatz. Den folgenden Ruhetag nutzen einige Sportfreunde wieder zum diesmal anspruchsvollen Wandern, andere bleiben gemütlich beim Skat, die Mehrheit lässt sich von Otokar in eine alte als Museum genutzte Burg in das slowakische Kezmarok führen.

Am Abend sitzen wir alle am Lagerfeuer, singen gemeinsam und nehmen schon Abschied von den Freunden, denn am nächsten Tag ist die letzte  Poprad-Etappe. Sie führt uns am Mittwoch von Piwniczna Zdroj nach Stary Sacz. Dazu müssen wir am Morgen das Zeltlager abbauen, das Gepäck verstauen und die  Autos an das Etappenziel fahren, damit nach dem Paddeln gleich der Umzug zum Dunajec erfolgen kann. Auf dem gesamten Poprad haben wir schnelles Wasser,  immer wieder schöne Schwallstrecken, ein tolles Landschaftspanorama und insgesamt beste Paddelbedingungen.

Am Etappenziel laden wir die Boote auf den Hänger und los geht es über die Berge zum Campingplatz in Kroscienko an den Dunajec. Unterwegs können wir in der Ferne das gesamte Bergpanorama der Hohen Tatra bewundern.

LXX. Internationale Jubiläums-Kanufahrt auf dem Dunajec

(LXX Jubileuszowy Miedzynarodowy Splyw Kajakowy na Dunajcu [Nowy Targ – Nowy Sacz])
02.06.-04.06.2011

In Kroscienko wird doch alles sehr viel offizieller: Meldelisten, Registratur, Startnummern und Handgelenkbändchen für jeden Teilnehmer, Sicherheitskräfte, ein größerer Organisationsstab, 305 gewertete Teilnehmer (auf dem Poprad waren es ca. 40). Bei den Wettfahrten ist Schwimmweste Pflicht!

Wegen der Feierlichkeiten zu Fronleichnam beginnt die Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag in Nowy Targ erst um 13.00 Uhr. Wir fahren mit unseren Booten zum Start, die Fahrzeuge müssen zum Tagesziel nach  Mizerna  umgesetzt werden. Die feierliche Eröffnung mit Bürgermeister und vielen Offiziellen zieht sich hin  –  lange Reden, in denen ausführlich das Jubiläum aus Anlass der 70. Dunajecfahrt gewürdigt wird,  und kurze Anweisungen für die Wettkämpfer.

Die erste Etappe besteht aus einem Limit-Zeitfahren, d. h., bei Über- oder Unterschreitung des Zeitlimits erfolgt Punktabzug. Zwei Wehre müssen umtragen werden. Das Ziel ist in diesem Jahr unmittelbar vor dem Stausee. Wir haben alle unsere Zeit  geschafft, das ist schon mal ein wichtiges Punktepolster. Die letzten vier Kilometer über den Stausee ohne Zeitdruck werden uns ganz schön lang. Am Ziel ist uns die warme Suppe willkommen. Die Boote werden aufgeladen und bei der Rückfahrt zum Zeltplatz am Start zur zweiten Etappe unterhalb der Staumauer in Sromowce Wyzne in einem eingezäunten Areal abgelegt.

Die zweite Etappe beginnt am Freitag mit einem Einzel-Zeitfahren. Die Strecke ist schön, mit Schwallstrecken und Kehren und mit gelegentlich breit laufendem, oft zweigeteiltem Fluss. Da ist die günstigste und schnellste Fahrlinie nicht immer leicht zu finden und die Erfahrungen vergangener Jahre machen sich bezahlt.

Für die Anstrengungen entschädigt uns der darauf folgende Pieniny-Durchbruch, der seit über 100 Jahren als Touristenattraktion bekannt ist und glücklicherweise gemütlich ohne Wertung gefahren werden darf. Der das Pieniny-Gebirge durchbrechende schmal zusammengedrängte Fluss zu Füßen der „Drei Kronen“, eingebettet in hohe, steile Felshänge mit engen Kurven und schönen Schwallstrecken, lässt jedes Kanuten-Herz höher schlagen. Auch unerfahrene Paddler können hier ganz gut passieren, wenn sie den zahlreichen Touristenflößen folgen, die den manchmal einzig möglichen Weg anzeigen.

Schade, dass wir in diesem Jahr keine Zeit für den in zweierlei Hinsicht „atemberaubenden“ Aufstieg zu den „Drei Kronen“ haben. Zunächst verliert man beim Aufstieg schnell den Atem, aber wenn man es bis nach ganz oben auf den Aussichtsturm geschafft hat, ist der Blick ergreifend schön.

Am Zeltplatz angekommen, ist nach einer guten Erholungspause für den Nachmittag „Slalom“ angesagt. Hier scheidet sich nun schon ein wenig die „Spreu vom Weizen“, denn nicht alle Teilnehmer stellen sich dieser Herausforderung. Manche  Zuschauer freuen sich über gelegentliche Kenterungen. Aus unserer Mannschaft gibt jeder sein Bestes, und langsam wird der Blick auf die Ergebnislisten interessant.

Am nächsten Morgen, am Samstag, beginnt die dritte und für uns letzte Etappe vom Zeltplatz aus mit dem „Pilarski-Mannschafts-Rennen“. Fünf Boote aus mindestens zwei verschiedenen Bootsklassen bilden jeweils eine Mannschaft. Wir können zwei Mannschaften ins Rennen schicken. Der Wettkampf endet in Tylmanowa vor einer der wichtigsten Slalom-Trainingsstrecken in Polen.

Sonst nutzen wir diese schöne Anlage meistens für eine Pause und schauen beim Training zu. Es regnet aber schon den ganzen Tag und wir steigen am Wettkampf-Ziel nicht aus, sondern fahren gleich weiter zum noch weit entfernten Etappenziel in Jazowsko. Der Fluss wird jetzt breiter und ist nicht mehr so schnell. Nass, frierend und erschöpft kämpfen wir uns durch eine Geröllstrecke ans Ufer und schleppen unsere Boote gefühlte 500 m durch dichten Uferbewuchs. Wir haben  nicht die optimale Ausstiegsstelle erwischt. Wahrscheinlich waren wir zu schnell,  denn das Ziel „META“ ist noch nicht aufgebaut, aber oben auf dem „Sportplatz“ stehen Heinz und Otokar mit Bus, Hänger und Auto und vor allem mit trockenen und warmen Sachen für jeden Wettkämpfer. Bevor sich auch unsere zweite Mannschaft zum Ziel gekämpft hat, hört der Regen auf, die Sonne bricht durch und schon ist alles gut. Otokar und Heinz haben schon begonnen, herumliegendes Treibholz für ein Lagerfeuer in den Hänger zu laden. Wir helfen alle mit, so ist für einen gemütlichen Abend vorgesorgt.

Auch wenn für uns bei den Dunajec-Fahrten vor allem der Spaß im Vordergrund steht, ist uns „alten Hasen“ doch auch der Wettkampfkick immer wieder willkommen. Bei der Siegerehrung am Nachmittag in Kroscienko können wir dann kräftig jubeln. So gut war die Mannschaft lange nicht platziert. Wir erhalten für den dritten Platz in der Mannschaftswertung hinter den Mannschaften aus Krakau und Lettland einen Pokal und ein Boot als Preis. Auch in der Einzelwertung können Mannschaftsmitglieder Medaillen und Preise für zwei zweite und zwei dritte Plätze in Empfang nehmen und zu unserer Begeisterung hat sich die Berlinerin, Anne Fathke, den Sieg im Kajak-Einer der Frauen geholt. Geehrt werden auch Wolfgang Köhler (78) als ältester Teilnehmer und Heinz Brenner und nochmals Wolfgang Köhler für die häufigste Teilnahme an der Dunajec-Fahrt (beide mehr als 30 Mal).

Abends am Lagerfeuer lassen wir die Fahrt gemütlich ausklingen in der Hoffnung, uns alle im nächsten Jahr wiederzusehen. Den Sonntag nutzen wir für die Heimfahrt und müssen auf die letzte Etappe nach Nowy Sacz, eine reine Wanderfahrt, leider verzichten.

Erinnerungen an 2010

Bedingt durch den naturbelassenen Charakter der beiden  Flüsse sind die Paddelbedingungen von Jahr zu Jahr je nach Wasserstand sehr unterschiedlich. Das trägt eigentlich zum besonderen Reiz dieser Fahrt bei.

Im zurückliegenden Jahr  haben das die Veranstalter und Teilnehmer einmal negativ zu spüren bekommen. Bereits in den Wochen vor der Fahrt waren große Teile Polens von starkem Hochwasser betroffen, so dass wir schon auf eine Teilnahme verzichten wollten. Nur auf ausdrückliche Bitte der polnischen Organisatoren und die Versicherung, dass die Fahrt auf jeden Fall stattfindet, hatten wir uns auf den Weg gemacht.

Am Poprad waren die Spuren des Hochwassers noch deutlich sichtbar, das Wasser wesentlich höher als normal und die ersten beiden Etappen bescherten uns superschnelles Wasser und tollen Paddelspaß. In der nächsten Nacht kam dann der Dauerregen und wir konnten uns am „Ruhetag“ nicht vom Platz rühren, dafür aber den ständig steigenden Fluss beobachten. Die meisten anderen polnischen und ungarischen Sportfreunde begannen, ihre Zelte auf eine höher gelegene Wiese umzusetzen. Als Krzystof uns die Nachricht brachte, dass die dritte Etappe abgesagt ist, weil in der Nacht mit einer Flutwelle zu rechnen wäre, entschlossen wir uns, das Lager abzubauen und in einer Pension zu übernachten. Inzwischen war die Wiese, auf der die Zelte und Busse standen, total durchweicht. Nur mit Hilfe eines von Krzystof organisierten Traktors schafften wir es, die Busse auf die Straße zu bringen.

Bevor wir am nächsten Tag zum Dunajec fuhren, wollten wir uns unbedingt nochmal den Poprad ansehen. Die gesamte zum Zelten genutzte Parkfläche war total überschwemmt und von den Parkbänken nur noch das oberste Brett zu sehen. Die Dixi-Klos standen in knietiefem Wasser und der Fluss strömte so schnell, dass man sich nicht vorstellen konnte, dass man paddeln und bei Gefahr den Fluss dann auch unbeschadet verlassen könnte.

Am Dunajec angekommen, suchten wir uns vorsichtshalber auf dem Campingplatz die höchst gelegene freie Fläche für den Zeltaufbau. Die Eröffnung und die erste Etappe wurden bei schönem Wetter durchgeführt. Das Paddeln hat in dem sehr reichlich Wasser führenden Fluss viel Spaß gemacht, obwohl durch angeschwemmtes Treibholz einige Stellen etwas schwierig waren. In der Nacht kam dann ein richtiges Gebirgsgewitter mit stundenlangem wolkenbruchartigem Regen untermalt von Blitz und Donner und gegen Mitternacht wurde über Lautsprecher die Räumung des Campingplatzes angeordnet.

Als unser letztes Zelt im Dunkeln und bei immer noch heftigem Regen abgebaut war, hatten wir noch drei Meter bis zur Wassergrenze. Das Warten in der Fahrzeug-Schlange auf die Möglichkeit, den Platz zu verlassen, zerrte ganz schön an den Nerven. Als wir schließlich draußen waren, entschlossen wir uns, über die Brücke auf die höher gelegene andere Flussseite zu fahren.

Hier erlebten wir ein anrührendes Beispiel selbstloser Hilfsbereitschaft. Als wir ratlos im strömenden Regen vor der Kirche standen, sprach uns eine Frau, nur notdürftig bekleidet, mit Umschlagtuch und großem Schirm an, ob sie helfen könne und bot uns vier Betten an. Wir waren neun – total durchweicht und verdreckt – und kamen mit Matten und Schlafsäcken dicht gedrängt alle bei ihr unter und sie wollte nichts dafür haben: „Hilfe in der Not lässt man sich nicht bezahlen!“ So extreme Wetterverhältnisse hatten auch die ältesten unserer Sportfreunde auf dieser Fahrt noch nicht erlebt und in Polen wird man sich noch lange an das „Jahrhunderthochwasser“ erinnern.